Der Verfall der Computer Kultur

Nachdem ich in der letzten Woche mal wieder jede Menge Eindrücke bei Heise gesammelt habe, hatte ich die Zeit in der Schweiz genutzt meine Gedanken dazu aufzuschreiben. Es geht um das was ich “Computer Kultur” nenne…

Ist Computer wirklich direkt mit Windows zu assoziieren?

Immer wieder schlagen sich die Anhänger des einen Betriebssysem mit den Anhängern des anderen Betriebssystems gegenseitig die Köpfe ein. Der beste Platz für solche Szenen ist natürlich Heise.de. Immer dann, wenn mal wieder eine Windows- oder Linux-Lücke aufgetaucht ist, gibt es reihenweise Troll Postings. Das es Windows-Hasser gibt, überrascht mich kaum. Aber Linux-Hasser? Ich kann es verwenden oder es lassen. Das ist doch jedem selbst überlassen.

Die Gründe für diesen Streit, liegen vielleicht viel tiefer wie reine persönliche Präferenzen. Grundsätzlich gibt es zwischen beiden Parteien oftmals ein Kommunikationsproblem. Meine Ansprüche an ein Betriebssystem leiten sich aus meiner Computer-Vergangenheit ab. Als 8-Bit Urgestein, komme ich aus einer Zeit, in der Computer nach dem Einschalten einfach liefen. Warum ein 386er mit MS DOS fortschrittlich ist, aber nur 8 Zeichen lange Dateinamen erlaubte, wunderte mich. Auf dem C64 gingen 16 Zeichen lange Dateinamen. Und der spätere Heilsbringer Windows 95, war bei erheblich höheren Takt des Prozessors und mehr Arbeitsspeicher, nie so fix wie AMIGA OS auf einem Standard AMIGA 2000 (Beispiel: PC i486/66Mhz/8MB und AMIGA 68000/7Mhz/4MB). Achja, ein Image meiner AMIGA Festplatte brauchte ich nie anlegen. Wozu? Von einem total unbrauchbar gewordenen AMIGA OS System, nachdem irgendwer irgendetwas installiert oder eingerichtet hat, ist nie berichtet worden. Das war auch ein undenkbarer Fall. Von den vielen UNIX Systemen in dieser Zeit, die an vielen Stellen fast unbemerkt und das jahrelang störungsfrei ihren Dienst verrichten, will ich garnicht erst anfangen.

Wenn wir nun vom Gestern ins Heute wechseln, sehen wir erheblich kompliziertere Systeme. Es gibt mehr Hardware. Ob wir nun über DVB-T Karten, SCSI Controllern oder Netzwerkkarten sprechen, vieles davon gab es damals nicht oder nicht so hoch entwickelt. Es ist bunter geworden, was die Hardware angeht. Aber unterm Strich blieb eine Plattform. Kein Commodore AMIGA, ATARI ST, NEXT oder sonstwas hat überlebt. Nur der PC ist geblieben und ein wenig APPLE. Er ist schneller geworden. Aber ist er auch besser geworden? Mit dem PCI Bus sind viele Erleichterungen eingezogen und auch USB und andere Schnittstellen erleichtern das Leben.

Wie sieht es mit Betriebssystemen aus? Das “gute” Windows hat sich durchgesetzt. Als Windows 95 rauskam, war ich euphorisch. Beim Kunden brachte es mir viel Ärger und so manche unbzehalte Überstunde ein. Nicht weil ich zu dämlich war. Es war einfach noch nicht fertig. Heute ist das allgemein bekannt. Besser wurde es mit 98, wieder schlechter mit ME. Das waren die Zeiten in der eine Installationsreihenfolge kostbares “Fachwissen” darstellte. Also zum Beispiel zuerst die Scanner-Software und dann erst Office 97, sonst geht die Rechtschreibprüfung nicht mehr. Das war noch ein harmloses Phänomen. Schlimmer konnte es den Admin treffen, wenn Treiber in der “falschen” Reihenfolge installiert wurden. Wobei die Richtige erst “ausgetüftelt” werden mußte. Wenn da was falsch lief, konnte auch schonmal ein Blue Screen, der nicht mehr loszuwerden war, das Endergebnis sein. Und was ist wenn etwas nicht mehr geht, das System nach dem Booten auf dem Blue Screen steht? Wenn der Fehler einfach nicht zu finden ist? Ganz einfach! Einmal plattmachen bitte, FORMAT C:. Ein Tip den ich von der MS Hotline nicht selten bekomme habe. Auch heute durchaus gefürchtete Scenarien. Deswegen gibt es Images. Wer vor einer Systemveränderung kein Image erstellt, ist dumm! Das eine teilweise geringfügige Veränderung an einem System es unbrauchbar machen kann, wird genauso hingenommen, wie die Tatsache das ich überhaupt keine Transparenz über die Vorgänge im Hintergrund erhalte.

Ist das das Geheimnis der Erfolges von Microsoft?

Ich möchte doch lernen, verstehen und klügere oder leicht reproduzierbare Wege als erfahrener Administrator gehen? Das ist etwas, das ich bei den aktuellen MS Betriebssystemen einfach vermisse. Das kann ich kaum oder garnicht. Alles ist auf “Enduser” ausgelegt. Meine Erfahrung zählt nicht. Ich als Admin zähle kaum. Ich bin nicht Microsofts direkte Zielgruppe. Also ärgere ich mich bei jedem neuen PC den ich auspacke und einrichte, klicke mich durch die selben nervtötenden Dialoge die eigentlich für den Enduser gedacht sind. Ich schließe genervt aufpoppende Wizards, bei den Systemen die ich beim Kunden administriere oder bei meinem eigenen System. Hangele mich durch Tabs und klicke auf den dritten “Erweitert Button” um endlich den notwendigen Haken zu setzen. Frage mich “…oder war das jetzt doch woanders?”

Bei den Admins oder denen die in der IT Branche arbeiten oder aktiv sind, gibt es zwei Gruppen. Die einen die das so wahrnehmen und das kritisch hinterfragen und die anderen die nichtmal wissen, was es da zu hinterfragen gäbe. Ein Tag arbeit weil eine Nero Installation ein W2K System abgeschossen hat ist pech, hättest ja ein Image machen können. Selber schuld! Der Anspruch der heute von vielen “Admins” an ein Betriebssystem gestellt wird, ist nur einer: der Anspruch der Einfachheit. Für Einfachheit macht man auch mal gerne Abstriche bei der Zuverlässigkeit. Die Schönheit eines Systems oder einer Lösung, ist man so nicht in der Lage zu sehen.

Das ist für mich der Verlust der Computer Kultur.

Genau diese Admins entwickeln sich oft zu Linux hassern. Es wird ganz heiß pro Microsoft, bei Heise mitdiskutiert.

Bei Linux reicht eben für eine Server Installation nicht, nur die CD einzulegen und auf weiter zu klicken, um anschließend den persönlichen Erfolg zu feiern. Da darf noch nachgedacht werden. Wer an der Stelle keinen Erfolg hat, fühlt sich vielleicht doch mal zu Selbstzweifeln angeregt. Es fehlt scheinbar auch die Fähigkeit, die Qualität eines Systems zu beurteilen. Auch hier zählt nur der Anspruch der Einfachheit. All das geht mit der Unfähigkeit einher, wieviel Arbeit und Aufwand sich der Admin für die Zukunft hätte sparen können, wenn er zu einer anderen Lösung gegriffen hätte. Ja erstmal nicht so einfach, aber unterm Strich langfristig geschonte Nerven und ein glücklicherer Chef als mögliches Ergebnis.

Wie groß ist noch der Wissensabstand zwischen diesen Admins und den Usern?

Wenn ich die Wahl habe zu welcher Art von Lösung ich greife und die habe ich öfter als man denkt, entscheide ich mich gegen Windows. Es hat mich in all den Jahren nie überzeugt obwohl ich zwangsläufig oft damit arbeite. Die letzten Jahre haben mir bewiesen, das es sich lohnen kann mutig zu sein. Deswegen von mir ganz deutlich pro Linux und pro Open Source!! Wer sich Admin nennt, gehört in beiden Welten. Aber das Herz schlägt immer nur für eine ;-).

P.S.: Aber welche Art von Computer Kultur kann man heute erwarten, wenn alle mit Windows groß werden?

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